Bretzenheim beheimatete expressionistischen Lyriker
Der lang vergessene expressionistische Lyriker Friedrich Wilhelm Wagner (1892-1931) ist bereits mit vielen Gedichten auf Lyrikseiten im Internet vertreten. Er gehört zu den weitgehend in Vergessenheit geratenen Autoren des deutschen literarischen Expressionismus. Sein vorwiegend lyrisches Werk wurde erst in den Achtzigerjahren wiederentdeckt.
Einen wesentlichen Beitrag zu dieser Wiederentdeckung leistete der Berliner Literaturwissenschaftler und Autor Wilfried Ihrig. Er forscht seit vielen Jahren zu Friedrich Wilhelm Wagner und hat bereits 1986 eine Neuausgabe der Gedichte Wagners veröffentlicht. Herr Ihrig hat uns freundlicherweise zwei Ansichtsexemplare zur Verfügung gestellt, die im Bretzenheimer Gemeindearchiv verwahrt werden. Herzlichen Dank dafür. Herr Ihrig war es auch, der uns darauf aufmerksam gemacht hat, dass Friedrich Wilhelm Wagner viele Jahre in Bretzenheim gelebt und hier seine Kindheit und Jugendzeit verbracht hat.
Die biographischen Dokumente sind spärlich und begrenzen sich weitgehend auf die Zeitspanne seines Wirkens von 1911 bis 1920.
Friedrich Wilhelm Wagner wurde am 16. August 1892 in Hennweiler bei Kirn an der Nahe geboren und war der Sohn des Lehrers Heinrich Wilhelm Wagner und dessen Ehefrau Karoline Wagner, geb. Petry. Bereits als Kind zog er im Jahr 1896 aufgrund einer Versetzung seines Vaters nach Bretzenheim. Sein Elternhaus war protestantisch, kulturell aufgeschlossen und vom Geist des preußischen Beamtentums beherrscht, patriarchalisch und provinziell. Schon früh begehrte Friedrich Wilhelm dagegen auf. Friedrich Wilhelm Wagner besuchte die evangelische Grundschule in Bretzenheim, in der er durch seinen Vater unterrichtet wurde. Anschließend besuchte er neun Jahre das Königliche Gymnasium in Bad Kreuznach, wo er 1911 sein Abitur ablegte. Bis dahin verläuft sein Lebensweg und Bildungsgang regelkonform, doch dann bricht er aus dem protestantischen Elternhaus und der provinziellen Enge aus. Die Gedichte seines ersten Bandes mit dem programmatischen Titel „Aus der Enge“, die noch in der Schulzeit entstanden sind und 1911 im Lehrer-Verlag von Th. Scheffer veröffentlicht wurden, sind Ausdruck dieses jugendlichen Aufbegehrens.
„So jung und stark zu sein und niemals müd – Hei! wie das Blut mir in den Adern glüht!“
Zu dieser Zeit war er auch Mitarbeiter der Zeitschrift „Die Aktion“. Die Aktion war eine von 1911 bis 1932 herausgegebene literarische und politische Zeitschrift, die dem Expressionismus zum Durchbruch verhalf und für eine undogmatische linke Politik stand. 1911 begann er zwei Semester an der Philosophischen Fakultät der Universität München zu studieren. Das Studium betrieb er jedoch nur sporadisch. Währenddessen folgte bereits 1912 ein weiterer Gedichtband „Der Weg des Einsamen“ und es macht sich schon eine gewisse Resignation breit.
„Noch viele Wege muß ich gehen, / Und bin doch schon so sterbensmüd.“
Spätestens mit dem Wechsel nach Berlin 1912 endete sein geregeltes Leben. Es folgten ständig wechselnde, kurze Aufenthalte in München, Paris, Zürich und Heidelberg; mit mehrfachen Umzügen innerhalb von München und Zürich. In der französischen Hauptstadt experimentierte Wagner zwischen 1913 und 1914 mit Morphium. Er hoffte, sein Bewusstsein dadurch entscheidend erweitern zu können. In Zürich hat er Anschluss an die Expressionisten und Dadaisten und tritt dort im literarischen Cabaret „Pantagruel“ auf, einem Vorläufer des legendären Cabaret „Voltaire“. Seine Tuberkuloseerkrankung und eine fortdauernde Morphiumsucht könnten die Folgen dieser Odyssee sein. Am 20. Februar 1916 kehrte Friedrich Wilhelm Wagner wieder nach Bretzenheim zurück und war bis kurz vor Ende des 1. Weltkrieges als Kriegsverpflichteter in der Gemeindeverwaltung von Bretzenheim tätig. Ein aus der Schulzeit befreundeter Arztsohn und späterer Arzt wird ihn bis ans Lebensende mit Morphium versorgen.
Er wurde als chronischer Morphinist für geisteskrank erklärt und kam im November 1918 für einige Monate in eine psychiatrische Klinik, die Heilanstalt Eglfing bei München. Der Entzug brachte keinen dauerhaften Erfolg. Nach diesem Aufenthalt zog er 1919 nach Hannover, wo er mit Christof Spengemann die literarische Monatsblätter für Dichtung und Kunst „Der Zweemann“ herausgab. Aber bereits nach drei Ausgaben beendete Wagner seine Mitarbeit. Die Gedichtbände „Irrenhaus“ und „Jungfraun platzen männertoll“ erscheinen. 1920 verließ er Hannover wieder und kam auf väterlichen Druck nach Hause. Der Vater Heinrich Wilhelm Wagner vermittelte seinem Sohn eine Stelle als Bankbeamter in Bad Kreuznach. Außerdem nahm er ihm das Versprechen ab, nicht mehr zu schreiben. Im Jahr 1920 heiratet Friedrich Wilhelm Wagner eine Wilhelmine (Minni) Cloos. Eine kurze und kinderlose Ehe, die den immer noch morphiumsüchtigen Dichter immerhin etwas aufzuheitern schien.
…allen Dingen wieder lächelnd, gut gesinnt
Schweif ich durch mein Leben; Träumer, Held und Kind
Den Rest seines Lebens verbrachte er als Bankangestellter in Bad Kreuznach, wo er an verschiedenen Anschriften lebte. Er verstarb am 22. Juni 1931 im Lungensanatorium in Schömberg im Nordschwarzwald an Tuberkulose. Er hatte noch zwei jüngere Geschwister. Sein Bruder Karl ist am 21. April 1915 gefallen. Seine zwei Jahre jüngere Schwester verstarb am 31.01.1976 ledig und kinderlos in Bad Kreuznach.
Wichtigste Lyrik:
- Aus der Enge (1911)
- Der Weg des Einsamen (1912)
- Untergang (1918)
- Irrenhaus (1920)
- Jungfraun platzen männertoll (1920)
Zum Zeitpunkt der Geburt von Friedrich Wilhelm Wagner am 16.08.1892 lebt die Familien Wagner noch in Hennweiler bei Kirn. Der Vater Heinrich Wilhelm Wagner (geb. am 07.07.1866 in Oberquembach) war Lehrer, dominant, beherrschte mehrere Instrumente. Die Mutter Karoline Wagner (geb. Petry am 23.11.1867 in Kreuznach) war Hausfrau. Am 01.10.1894 wird die Schwester Alwine ebenfalls in Hennweiler geboren. Sein Bruder Karl kam am 23.11.1896 auf die Welt, als die Familie bereits in Bretzenheim lebte. Im Jahr 1896 wurde der Lehrer Heinrich Wilhelm Wagner nach Bretzenheim versetzt. Er unterrichtete bis 1930 an der evangelischen Schule in Bretzenheim. Die Familie bewohnte in dieser Zeit die Lehrerwohnung in der heutigen Kirchstraße 11. Zu dieser Zeit existierten noch beide Schulgebäude und lagen nebeneinander. Das zurückgesetzte Haus (heute Kirchstraße 11) diente als Lehrerwohnung. Der Bruder Karl ist am 21.04.1915 im 1. Weltkrieg gefallen. Wie schon erwähnt verstarb der Dichter Friedrich Wilhelm Wagner am 22. Juni 1931 in einem Lungensanatorium in Schömberg im Nordschwarzwald. Die Mutter Karoline Wagner verstarb am 04.08.1938, der Lehrer Heinrich Wilhelm Wagner am 30.07.1941. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Familie schon einige Jahre in Bad Kreuznach gelebt. Die Schwester Alwine verstarb am 31.01.1976 ledig in Bad Kreuznach.
Quellen:
Wilfried Ihrig „Materialien zu Friedrich Wilhelm Wagner“ Epubli Verlag Berlin 2023
Poesiealbum 374, Märkischer Verlag Wilhelmshorst 2022
„Geschichte der evangelischen Pfarrei Bretzenheim und Winzenheim“, Lichtweg-Verlag 1934
Hans Schneider „Die Einwohner von Bretzenheim a.d. Nahe“ i.d.F. von 2018
Manfred Orlick „Ein fast vergessener Dichter des Expressionismus“, Beitrag auf literaturkritik.de
Katrin Brunner „Zwischen Kunst und Wahnsinn“, Beitrag auf blog.nationalmuseum.ch
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